IEC/CISPR bedroht Funkdienste durch eine
geplante Lockerung der PLT Störgrenzwerte um 18 dB
CISPR ist das Internationale Sonderkomitee für
Funkstörungen der Internationalen
Elektrotechnischen Kommission IEC mit Hauptsitz in Genf, Schweiz.
Es befasst sich mit der Entwicklung von Normen in Bezug auf
elektromagnetische Störungen und die meisten von ihnen werden von der
Europäischen Union und vielen anderen Ländern übernommen. Störgrenzwerte
für "Power Line Telecommunications" (PLT) Systeme sind definiert in der
Norm CISPR 22 und ihrem europäischen Äquivalent EN 55022 mit dem
Titel "Einrichtungen der Informationstechnik - Funkstöreigenschaften -
Grenzwerte und Messverfahren".
Ein PLT Projekt Team (PT) wurde 2005
gebildet, um eine Änderung von CISPR 22 zu erarbeiten, welche spezielle
Anforderungen für PLT Betriebsmittel abdeckt und sein erster Komitee
Entwurf ("Committee Draft", CD) erschien im Februar 2008 (Dok.
CISPR/I/257/CD). Die Kommentare der Nationalen Komitees (NC) von 23 IEC
Mitgliedern und der Europäischen Rundfunkunion (EBU) zeigten
jedoch zu geringe Unterstützung für den gewählten
Lösungsvorschlag (Dok. CISPR/I/266A/CC), da lediglich 6 NCs den
Entwurf befürworteten: Belgien, Frankreich, Israel, Italien, Spanien und die
Schweiz. Interessanterweise sind die meisten Anbieter, Entwickler und
Hersteller von PLT Technologie für den europäischen Markt in 5 dieser
6 Länder ansässig.
8 NCs lehnten den Entwurf nachdrücklich ab -
Australien, Österreich, Zypern, Dänemark, Finnland, Südafrika, Schweden und die
Vereinigten Staaten von Amerika - und einige wohl begründete Kommentare
enthüllten seinen wahren Zweck: Eine geplante Lockerung der bisherigen PLT
Störgrenzwerte um 18 dB durch die Einführung eines revidierten Messverfahrens
mit einem veranschlagten "Longitudinal Conversion Loss" (LCL) von 24
dB gegenüber 6 dB in CISPR 22:2005 zu
tarnen.
Für die Messung der Störgrößen wird
ein Impedanzstabilisierungsnetzwerk (ISN) benötigt, welches eine
bekannte Anschlussimpedanz sowie einen Messanschluss bereitstellt. Mit
dem ISN werden die Gleichtaktstörungen gemessen und es ist so gebaut,
dass es ein Netzwerk mit einem bestimmten LCL Wert nachahmt, welcher das
Verhältnis darstellt aus in das Netzwerk eingespeistem Gegentaksignal und
aus der Unsymmetrie des Netzwerks
resultierendem Gleichtaktsignal. Ein höherer
Wert kennzeichnet eine bessere Symmetrie des Netzwerks und damit kleinere
Gleichtaktsignale und weniger Strahlung. Ein ISN mit LCL = 24 dB
würde ein fast perfekt symmetrisches Netzwerk nachahmen und effektiv eine
Lockerung der bisherigen Grenzwerte um 18 dB ergeben, wie jedoch viele NCs
anmerkten ist dieser Wert unrealistisch hoch und nicht repräsentativ
für reale Stromnetze. Zusätzliche der vorgeschlagenen Methode
innewohnende unrealistische Annahmen würden die effektive Lockerung sogar
noch weiter steigern.
Einige kurze Auszüge aus 35 Seiten an NC
Kommentaren werden nachfolgend wiedergegeben (übersetzt aus dem
Englischen):
Österreich:
"... der Gebrauch von Geräten welche den
vorliegenden CD erfüllen im realen österreichischen Stromnetz kann
nicht als angemessene Grundlage zum Schutz von Funkkommunikationssystemen
angesehen werden ... CISPR/I/257/CD benutzt ein auf LCL-Annahmen
basierendes Modell, um das Stromnetz zu beschreiben. Dies repräsentiert nicht
das reale Stromnetz in Österreich. Außerdem ist der Wert von 24 dB viel zu
hoch ... "Die 25 W
Gleichtaktimpedanz ..." stellen eine nicht realistische Annahme dar
..."
Australien:
"... Dieser CD reflektiert nicht gänzlich die Meinungen
und Empfehlungen der Arbeitsgruppe. Etwa die Hälfte der Arbeitsgruppe brachte
die Besorgnis zum Ausdruck, dass die Methode und die Grenzwerte des CD
eine beträchtliche Lockerung der CISPR 22 Grenzwerte darstellen und daher
inakzeptabel seien. Die Arbeitsgruppe einigte sich jedoch darauf, den CD ohne
vorschnelle Verurteilung herauszugeben, um die Ansichten der NCs zu testen und
um den Fortgang zu beschleunigen ... Das australische nationale Komitee ist
prinzipiell nicht einverstanden mit der Anwendung der T-ISN
Methode dieses Dokuments
..."
Zypern:
"... CISPR S und die CISPR Vollversammlung hatten das
CISPR I PT angewiesen, die Änderung mit der strikten Zielvorgabe zu erarbeiten,
dass den Funkdiensten derselbe Schutz wie durch die gegenwärtig veröffentlichte
Ausgabe der CISPR 22 geboten wird. Diese Anordnung scheint nicht befolgt worden
zu sein ..."
Dänemark:
"... DK ist der Auffassung, dass ungeachtet der
durchgeführten Messungen der LCL- Wert von 24 dB die Funkdienste nicht vor den
Aussendungen von PLT schützen wird. In der jüngsten CISPR 22:2005,
abgeändert, beträgt der Wert 6 dB bei Verwendung von AMN
..."
Finnland:
"... das finnische NC ist nicht einverstanden mit der
Verwendung eines LCL-Wertes von 24 dB für ISN: Dieser Wert ergibt nicht dasselbe
Schutzniveau für Funkdienste wie es CISPR 22 hinsichtlich anderer IT
Betriebsmittel bietet. Der Vorschlag ist in Wirklichkeit eine
technologiespezifische Lockerung von EMV-Anforderungen für PLT- Produkte
..."
Großbritannien:
"... Das britische NC befürwortet die Verfahrensweise
dieses CD nicht. Wir sind der Ansicht, dass dieser CD irreführend ist indem
er die Tatsache verheimlicht, dass PLT eine Lockerung der Emissionsgrenzwerte
benötigt. Wir erkennen, dass diese Lockerung benötigt wird, um PLT das
für seinen Betrieb erforderliche Signal/Rausch-Verhältnis
zu ermöglichen. Das britische NC ist nicht der Meinung, dass die
LCL-Methode der geeignete Weg ist, um das Störpotential des Stromnetzes zu
beschreiben ... Das britische NC ist besorgt sicherzustellen, dass mögliche
kumulative Schadeffekte auf den HF-Rauschflur durch mehrere Einzelgeräte
umfassend angesprochen werden ..."
Niederlande:
"... Die komplizierte Messung tarnt den tatsächlichen
Sachverhalt: Eine Gegentakt-Lockerung von 18 dB für PLC
..."
Schweden:
"... Das schwedische nationale Komitee befürwortet diesen
CD nicht, weil wir nicht der Meinung sind, dass LCL tauglich ist auf den
Störeinfluss von Stromleitungen zuzugreifen; keine unterstützenden Messungen
werden angegeben welche zeigen, dass eine Lockerung um 18 dB nicht zu
schwerwiegenden Funkstörungen führen würden und weder passive noch
dynamische Techniken finden Erwähnung, welche gelockerte Grenzwerte
rechtfertigen könnten ..."
U.S.A.:
"... PLT Geräte nutzen das Stromnetz für die
Kommunikation. Deshalb besitzen sie dasselbe Störpotential wie jedes andere an
das Stromnetz angeschlossene Gerät. Dass PLT erwünschte Signale in das Stromnetz
einspeist ist keine Rechtfertigung dafür, die erforderliche Emissionsbegrenzung
abzuändern ..."
Europäische Rundfunkunion (EBU):
"... Das Dokument sucht eine Möglichkeit, die
gegenwärtigen Grenzwerte erheblich zu lockern und damit den Betrieb von PLT
Systemen zu ermöglichen. Diese Verfahrensweise ist inakzeptabel,
sofern nicht andere Faktoren bestimmt werden, die solche Lockerungen
ausgleichen ... Der LCL-Wert von 24 dB ist nicht hinnehmbar, da
Feldstärkemessungen darauf hindeuten, dass ein viel niedrigerer Wert
gewährleistet ist ..."
Es muss erwähnt werden, dass die letztgenannte Besorgnis des
britischen NC vom Sekretär kommentiert wurde mit den Worten "Abgelehnt.
Das UK NC sollte den Nachweis erbringen, dass es da ein Problem
gibt". Kumulative Effekte von PLT sind selbstverständlich ein Problem
und wurden ausgiebig behandelt von der "NATO Research and Technology
Organisation" (RTO) im Technical Report TR-IST-050 "HF Interference, Procedures and Tools".
Der gesamte Report ist das Lesen wert.
Im Juni 2008 brachte das Projekt Team einen Vorschlag zur
Verfahrensweise von EMV Emissionsanforderungen für PLT heraus
("Proposed Approach on EMC emission requirements for PLT", Dok.
CISPR/I/269/DC), worin es die aufgeflogene Tarnung aufgibt und erklärt
(übersetzt aus dem Englischen):
"... es hat sich erwiesen, dass es unzureichende
Unterstützung für die gewählte Verfahrensweise gibt und die Gruppe hat ein
alternatives Verfahren entwickelt basierend auf 6dB ISN. Die Gruppe hat erkannt,
dass die Grundvoraussetzung für PLT um arbeiten zu können
eine Untergrenze für das erwünschte Signal festsetzt, was im
Grunde etwas höhere Grenzwerte nötig macht, als sie in CISPR 22
vorgegeben werden ... das PLT PT hat sich geeinigt, dass der durch
I/257/CD implizierte Pegel der spektralen Leistungsdichte für den richtigen
Betrieb von PLT Systemen erforderlich ist ... Das PLT PT schlägt als
Reaktion auf mehrere NC Kommentare als Kompromiss ein ISN mit einem LCL von 6 dB
vor ... Unter diesen Umständen schlägt das PLT PT die Spezifizierung
von Average and Quasi Peak Grenzwerten vor, welche eine nominelle Lockerung
der Grenzwerte für den Stromnetzanschluss um 18 dB ergeben ... die
NCs seien darauf hingewiesen, dass das in I/257/CD
spezifizierte Messverfahren etwas andere Resultate produzieren wird als die
Spannungsmessung ... dies kann eine zusätzliche Lockerung bewirken
..."
Mit anderen Worten: LCL soll um 18 dB reduziert werden von 24
auf 6 dB, aber gleichzeitig sollen die Störgrenzwerte um 18 dB angehoben
werden, was insgesamt genau dieselbe Lockerung um 18 dB ergibt wie im
Entwurf I/257/CD. Und 18 dB sind nicht "etwas" sondern sehr viel
höher, da sie einer Leistungsanhebung um den Faktor 63 entsprechen
! Kommentare und Anträge der nationalen Komitees zu diesem
Vorschlag sind vom Sekretär CISPR/I erbeten bis 15.
August 2008, um dem PLT Projekt Team zu ermöglichen, die Kommentare
bei seiner nächsten Tagung in Berlin am 8. - 9. September 2008 zu
diskutieren. Ein überarbeiteter Komitee Entwurf wird dann im
Dezember 2008 zur Kommentierung ausgegeben.
Falls diese Änderung wie geplant durchgeführt wird, werden
höchstwahrscheinlich die europäische Norm EN 55022 sowie viele andere
nationale Normen angepasst und laut Bundesnetzagentur BNetzA werden sich
sinngemäß folgende Konsequenzen ergeben:
- Erleichterungen in den EMV-Anforderungen für PLC-Produkte in
Höhe von 18 dB ...
- Weitere Erleichterungen in der Größenordnung von 0
bis 20 dB, falls die Strommessung auf dem Netzkabel gleichberechtigt zur
Spannungsmessung an der neuen T-ISN zugelassen werden sollte ...
- Obwohl die Erleichterungen nur PLT Geräten gewährt
würden ist es fraglich, ob zukünftige Forderungen anderer
Industriebranchen nach gleichen Erleichterungen abgewehrt werden können
...
- Der Betrieb von künftig normenkonformen PLT Geräten kann
zu einer Zunahme der Störfeldstärken an Empfangsstandorten als
auch zu einer Zunahme der über den Netzanschluss in
Funkempfänger einströmenden Störungen um mindestens 18 dB
führen.
Diese erhebliche Lockerung würde die auf Kurzwelle
arbeitenden Funkdienste ernsthaft bedrohen, insbesondere den Rundfunk- und
den Amateurfunkdienst, welche bereits unter ständig zunehmenden
Störungen leiden. PLT ist zweifellos eine schmutzige Technologie, die das
elektromagnetische Wellenspektrum als wertvolle und begrenzte natürliche
Ressource verseucht, ganz einfach weil das Stromnetz weder bestimmt ist noch
geeignet ist für die Übertragung breitbandiger HF-Signale. Deshalb ist die
Lockerung von PLT Störgrenzwerten so, als würde man gerechtfertigte und
notwendige Schadstoffgrenzwerte der Luft lockern, nur weil eine
Industrielobby danach verlangt.
"Das primäre Ziel von CISPR ist der Schutz der
Funkdienste ..." - Dies sind die einleitenden Worte der strategischen
Grundsatzerklärung von CISPR (übersetzt aus dem Englischen). Aber
anstatt zu fragen welche PLT Grenzwerte nötig sind, damit die Funkdienste
geschützt werden, fragt CISPR nur welche Grenzwerte gut sind für PLT und
verletzt so in grober Weise seinen eigenen Hauptgrundsatz. Tatsächlich
würde die vorgeschlagene Verfahrensweise der PLT-Lobby dienen und ihre
Bedürfnisse befriedigen, dabei aber ihre verheerenden Auswirkungen auf
die Funkdienste vollkommen irgnorieren, was sicherlich nicht der richtige Weg
ist. Als ein seriöses Normungsgremium, und schon wegen seiner eigenen
Grundsatzerklärung, wird von CISPR erwartet, dass es schmutzige
Technologien wie PLT nicht durch spezifische Lockerungen vorantreibt. Wenn PLT
nicht in der Lage ist, das gesamte elektromagnetische Wellenspektrum - nicht nur
einige schmale "notches" - unversehrt zu lassen für die vorgesehene Nutzung
durch Funkdienste, dann ist es einfach ungeeignet für den Einsatz
und sollte das Feld räumen für klugere Technologien
wie Wi-Fi oder WiMAX, um nur zwei zu nennen.
Schließlich sollte klar sein, dass die Annahme einer
solchen Norm mit drastisch gelockerten PLT Störgrenzwerten durch irgendein
Mitglied der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) ein Verstoß gegen
die Vollzugsordnung für den Funkdienst (VO Funk) als Teil eines bindenden
Vertrages wäre, welche in Art. 15.12 eindeutig festlegt:
"Die Verwaltungen müssen alle nur möglichen Maßnahmen
treffen, die erforderlich sind, damit der Betrieb elektrischer Geräte und
Anlagen jeder Art, einschließlich Starkstrom- und Fernmeldenetze, jedoch mit
Ausnahme der Geräte, die für industrielle, wissenschaftliche und
medizinische Anwendungen bestimmt sind, keine schädlichen Störungen bei einem
Funkdienst verursacht, der in Übereinstimmung mit dieser Vollzugsordnung
wahrgenommen wird, insbesondere wenn es sich dabei um einen
Navigationsfunkdienst oder einen anderen Sicherheitsfunkdienst
handelt."
Dieses Informationspapier ist veröffentlicht
unter http://cq-cq.eu/cispr22d und wird als Email an
eine große Zahl von Amateurfunkverbänden sowie Organisationen, Unternehmen,
Zeitschriften und Personen verteilt, die mit Funk befasst sind. Ich fordere
alle betroffenen Empfänger dringend auf, diese Information weiterzuverteilen und
jegliche geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die helfen könnten, diese
geplante Lockerung von PLT Grenzwerten zu verhindern. Diese Maßnahmen
beinhalten Protestnoten und Kommentare an IEC/CISPR ( info@iec.ch ) sowie an
die nationalen Komittees, welche auf der Liste der IEC Mitglieder
zu finden sind. Außerdem sollten die Verwaltungen informiert und
sensibilisiert werden und gleichzeitig erinnert werden an den bindenden Status
der VO Funk. Ich erkläre hiermit, dass ich diese Informationskampagne als
unabhängiges Individuum unternehme, mit dem einzigen Zweck alle Funkdienste zu
unterstützen und ohne irgendwelche anderen Ziele zu verfolgen.
7. August 2008,
Autor und Herausgeber: